Rachel:
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, bis meine Tränen endlich versiegt sind und ich bereit bin, mich von Samantha zu lösen. Der Schmerz ist einer tröstenden Taubheit gewichen, die mich antreibt in den Wagen zu steigen und zu verschwinden. Nur undeutlich spüre ich, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmt. Mein Bein schmerzt aber das ist nichts im Vergleich zu den inneren Schmerzen, die mich in den Wahnsinn zu treiben drohen. Hatte ich gerade wegen eines Kerls wirklich meine eigene Schwester getötet? Am Wagen angekommen, lehne ich mich gegen die kühle Tür und würge abermals. Der Gestank nach altem Blut und Tod hängt in der Luft. Ich erbreche mein klägliches Mittagessen von gestern und winde mich in Kräften auf den Fahrersitz. Mechanisch wie eine Marionette ramme ich den Schlüssel ins Zündschloss und biege aus der Ausfahrt. Mein Blick ruht dabei die ganze Zeit im Rückspiegel auf dem geschundenen Leichnam bis ich ihn nicht mehr sehen kann. Und doch weiß ich, dass sich dieser Anblick in mein Herz eingebrannt hat. Jedes Mal wenn ich die Augen schließe, werde ich den blutverschmierten Körper meiner Schwester sehen. Ich war eine Mörderin, eine brutale Killermaschine. Mein Vater hatte mit allem recht, das hier war kein leben, das war die Hölle.

Lucas:
Ich kann es ganz deutlich spüren, als der Kampf vorbei ist und überlasse Rachel ihrer Trauer. Nach Luft ringend öffne ich die Augen und bin für de Augenblick von dem Schmerz und der Trauer überwältigt. Ich ermahne mich, dass es nicht meine Empfindungen sind und doch weiß ich, dass das was ich fühle nur ein 100stel von dem ist, was in Rachel vor sich geht. Erschöpft lehne ich den Kopf gegen den Baumstamm und versuche meine Atmung zu beruhigen.

Rachel:
Bäume und Städte ziehen an mir vorbei, während ich wie eine Verrückte mit einer mörder Geschwindigkeit über die Autobahn fahre. ich verbiete mir während der Fahrt auch nur ansatzweise an etwas zu denken und schalte das Radio immer lauter, bis es den Sturm in meinem Inneren komplett übertönt und ich nur noch aus Musik zu bestehen scheine. Gegen Abend fahre ich dann endlich von der Autobahn ab und nur noch wenige Minuten trennen mich von Lucas Haus. Ich stelle die Musik leiser und wische mir verstohlen über das Gesicht. Doch eigentlich ist es mir egal wie ich aussehe, ich möchte einfach nur noch raus aus dem wagen und...ja und was dann? was könnte es geben, was das alles wieder gut macht? ich verbiete mir wieder die Gedanken und zähle im Kopf immer weiter und weiter, bis mir die Zahlen ausgehen. In diesem Moment biege ich in die bereits schon vertraute Einfahrt und schalte den Motor aus. Wie versteinert bleibe ich sitzen und umklammere regungslos und gefühllos das Lenkrad. Jetzt, da ich keien Aufgabe mehr habe auf die ich mich konzentrieren kann, kommen die Erinnerungen wieder hoch, Erinnerungen die mich mit all ihrer Macht zu ersticken drohen.

Rachel:
Ich höre jemanden aus weiter Ferne meinen Namen sagen und schaue mechanisch hoch, ohne durch meinen Tränenschleier nicke ich. "Es geht mir gut", sage ich ruhig und schaue wieder nach vorne. "alles gut", flüstere ich. Ich kann spüren wie mir Tränen über das Gesicht fließen oder ist das Blut? Panisch betaste ich mein gesicht und betrachte anschließend meine Hände. nein, kein Blut. Ich weiß, dass man von mir erwartet, dass ich aussteige, also tu ich es. Mit leerem Blick schnalle ich mich ab und steige aus der geöffneten Wagentür. "alles gut", wiederhole ich noch einmal, ohne dass mich jemand gefragt hat. Ich weiß noch nicht einmal ob ich mich selbst oder die anderen von dieser dreisten Lüge überzeugen möchte.

Rachel:
"Was?", benommen schaue ich zu Oli hoch, als er mich in den Arm nimmt und ins Haus führt. Ich schüttele hastig den Kopf. "Nein, bitte kein Wasser. Ich...ich kann das nicht. Es war alles voller Blut und das Wasser...", ich verstumme weil meine Sätze keinen Sinn ergeben. Flehentlich schaue ich zu Oli hoch. "Bitte kein Wasser", flüstere ich tonlos. Ich fühle mich elend den anderen jetzt solche Umstände zu machen aber mein Körper folgt seinem eigenen Instinkt und tut was es will. Und während ich scheinbar aus der Ferne beobachte wie diesem dummen Mädchen immernoch Tränen übers Gesicht rinnen und sich alle Sorgen um sie machen, frage ich mich unwillkürlich ob ich ihre Fürsorge und Liebe überhaupt verdient habe.

Rachel:
Ich merke wie die Taubheit langsam nachlässt und der Schmerz mich zu ersticken droht. "Bleibst du hier? Jetzt bist du sicher", krächze ich und die Erinnerung daran, was ich tun musste, damit wir alle sicher sind lässt mich zusammenzucken. Das Bild von Sams leblosen Körper taucht vor meinem inneren Auge auf. "Ich ...ich habe sie getötet...", fragend schaue ich zu Oli. "Sag mir, dass das nicht wahr ist", flüstere ich und erbebe unter der Last meienr Gedanken.

Rachel:
Ohne es zu merken, beginne ich mich langsam vor und zurück zu wiegen. ich lege meinen schweren Kopf an Olis Brust und atme seinen frischen Waldduft ein. Langsam schließe ich die Augen und bin kurz davor einzuschlafen, doch die Gedanken holen mich wieder ein und senden mir grauenhafte Bilder in den Kopf. Ich zucke zusammen. Der Rhythmus meiner Bewegungen wird unterbrochen und ich schnappe erstickt nach Luft.