Lucas:
Sprachlos bleibe ich einen Moment regungslos in der Tür stehen. Als ich das Gesagte verarbeitet habe, ziehe ich die Tür hinter mir zu und starre Oli fassungslos an. "Du hast was? Rachel ist wo? Bitte?" Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen, um die Gedanken zu sortieren. "Hast du völlig einen an der Macke, sie alleine gehen zu lassen? Konntest du uns nicht wecken? Verdammt nochmal, was ist denn nur los mit euch beiden Idioten!", wütend ziehe ich Kreise durchs Zimmer und überlege mir einen Plan, wie wir Rachel aufspüren und aufhalten können.

Lucas:
Ich schnaube verächtlich. "Wie sehr kannst du ein Mädchen lieben, wenn du sie alleine durch diese Hölle gehen lässt? Schnallst du nicht, dass sie ihre SCHWESTER töten muss? Nicht einfach irgendeine Schwester, sondern eine die ungeahnte Monster-Fähigkeiten hat, gegen sie keine Chance hat. Denkst du wirklich ihr kleiner Zaubertrick mit der Verwandlung kann ihrer Schwester das Wasser reichen? Noch nicht einmal ich habe solche Magie jemals zuvor gesehen, mächtig und dunkel." Ich schaue Oli verbittert an und kann nur den Kopf schütteln. "Herzlichen Glückwunsch, du hast deine eigene Freundin in den Tod geschickt!"

Lucas:
"Was? Was willst du dann machen? Zu mir rennen und mich anflehen, dass ich das wenige was ich als dummer Hexenmeister lernen konnte, dir zur Hilfe ansetze? Übrigens wie schon 10000 Male zuvor, in denen ich dir deinen wertlosen Hintern gerettet habe! Und wofür das alles? Damit du die beste Freundin meiner Freundin einfach so in einen Krieg gegen ihre Familie ziehen lässt? Du bist ja noch nicht einmal mehr ein Werwolf, welch Hilfe kannst du da schon sein, wenn es darum geht Rachel zu rächen?", wütend starre ich ihn an und spüre, wie das Wetter vor dem Fenster immer düsterer wird. Ein peitschender Wind klopft gegen die Wände und schwarze Wolken schieben sich vor die Sonne.

Lucas:
Wie erstarrt schaue ich Ally hinterher. Nur langsam komme ich wieder zu mir und atme schnell ein und aus. "Verdammt nochmal! Ihr mit euren dummen Entscheidungen zur Selbstfindung! Ihr habt doch alle keinen blassen Schimmer, wie es ist wenn der eigene Bruder oder die Schwester plötzlich zum Teufel in Person mutiert!", brülle ich Ally hinterher. Nach einem wütenden Blick auf Oli, stürme auch ich aus dem Zimmer und knalle hinter mir die Tür so heftig zu, dass sie beinahe aus den Angeln bricht. "Und wehe irgendeiner folgt mir, dann garantiere ich für nichts mehr!", schreie ich noch einmal heftig zum Haus rüber, nachdem ich durch die Verandatür gestürmt bin und mich auf den Weg in den Wald mache.

Lucas:
Wütend stampfe ich durch das dichte Gras in den Wald hinein. Stumm gehe ich eine lange Zeit, immer tiefer und tiefer in das dichte Gewächs aus Bäumen, Sträuchen und Büschen. Erst nach ungefähr einer Stunde, wage ich es anzuhalten und mich umzusehen. Der Spaziergang hat mir gut getan, mit jedem Schritt verrauchte meine Wut immer weiter und zurück blieb eine erschöpfte Hülle. Mein Ausbruch tat mir nicht direkt leid, denn ich war nach wie vor der festen Überzeugung, dass ich Recht hatte und doch war es schrecklich mit solchen Worten auseinander zu gehen. Ich schüttelte hastig den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit für trübe Gedanken. Ich ließ mich auf das leicht feuchte Moos an einer knorrigen Baumwurzel fallen und schloss meine Augen. Eine Formel murmelnd, versuchte ich zunächst einen Lokalisierungszauber, der jedoch nichts als Unsinn hervor brachte, bis ich mich schließlich dazu entschied, Rachel aus der Ferne vor Gedankenmanipulation zu schützen. Der ursprüngliche Zauber würde schon ziemlich bald seine Wirkung verlieren aber er trägt meinen Stempel drauf, sodass ich ihn nach Belieben verstärken oder schwächen kann. Ich atmete tief ein und aus. Verschmolz innerlich mit der Natur um mich herum und blendete die Unruhe in meinem Inneren und meinen Gedanken komplett aus. Die richtige Formel murmelnd, stärkte ich Rachels Schutzzauber und sank dann langsam in einen erschöpften Schlaf. Diese Art von Magie, besonders auf die Entfernung gesehen, war nicht nur riskant, sondern forderte auch ihren Tribut. Kein Fünkchen Energie blieb in meinem Körper zurück, nachdem ich die Formel vollendet hatte.

Rachel:
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich drei Mal fast wieder umgedreht hätte, biege ich in die vertraute Einfahrt ein und schalte den Motor aus. Ich hole tief Luft. "Atmen...atmen...". Trügerische Kindheitserinnerungen vernebeln meinen Verstand. Zwei brünette Mädchen spielen im Sandkasten, sie toben wild herum, bis eine von den beiden hinfällt und anfängt zu weinen. Das ältere der beiden Mädchen schenkt der kleineren daraufhin zum Trost ihre lieblings Puppe und nimmt sie liebevoll in die Arme. Tränen laufen mir übers Gesicht und ich schüttele hastig den Kopf. Beide Mädchen sind bereits tot, die eine wurde Opfer eines grausamen Experiments, die andere wurde von ihrer Familie verstoßen und hat das Alter Ego durch ein neues ersetzt. Mit zitternden Fingern öffne ich die Tür und klammere mich an die Erinnerungen an meine Freunde und Oli, stets darum bemüht nicht an meine Kindheit zu denken. Ich schaue hoch zum Haus und erstarre. Auf der gepflegten Veranda, steht neben Mums geliebten Apfelbaum...Samantha. Mir stockt der Atem und ihre Lippen verziehen sich zu einem diabolischen Grinsen. "It`s Showtime, bitch", flötet sie zuckersüß und im nächsten Moment verliere ich das Bewusstsein.

Rachel:
In der Dunkelheit spüre ich plötzlich wie jemand meine Hand nimmt und mich praktisch dazu zwingt die Augen zu öffnen. Nur schemenhaft kann ich eine undeutlich vertraute Silhouette erkennen, doch ich kann spüren, dass die Person mir Kraft schickt und diese Stärke erfüllt all meine Sinne. Blinzelnd mache ich die Augen auf und sehe gerade noch rechtzeitig wie Samantha wie eine wilde auf mich zustürzt. Ich wechsel die Gestalt, zuerst zu einem Falken und anschließend blitzschnell zu einem majestätischen Alter. Nicht ohne Stolz schwinge ich mich hinauf in den Himmel und begebe mich an Zenit meines Fluges in den Sturzflug. Die Luft saust an mir vorbei und zerwühlt mein Gefieder. Ich bin hoch konzentriert und währen Sam noch suchend den Himmel absucht, stürze ich mich bereits von links mit meinen Krallen auf sie und bohre tiefe Furchen in ihre Schulter. Sam kreischt auf. Ein wilder Schrei entrinnt auch meiner Kehle. Ich schnappe nach ihr, verwandle mich am Boden blitzschnell in einen Puma und wälze die Krallen in die Erde, während Samantha zu mir herumfährt und ihr Blick sich auf mich legt. Ich werde plötzlich von schrecklichen Krampfanfällen geschüttelt, die Muskeln versagen mir den Dienst. Mit aller Kraft versuche ich mich aufzurichten, falle jedoch schmerzerfüllt immer wieder zurück auf die Erde. Erneut macht Sam ein paar Schritte auf mich zu, bricht dabei den Blickkontakt jedoch nicht ab. Mit letzter Kraft reiße ich mich zusammen und wechsel erneut die Gestalt. In Form eines Marienkäfers, kann ich ihrem schmerzenden Blick endlich entfliehen und die Krämpfe lösen sich urplötzlich auf.

Rachel:
Über den Boden krieche ich auf sie zu, immer bedeckt hinter einem Zweig oder einem Blatt. Panisch wirbelt Sam herum, ich spüre, dass sie durch irgendwas geschwächt und aufgewühlt ist. Der Zauber den sie auf mich projiziert hat, hat wohl auch auf ihr seine Spuren hinterlassen und das ist meine Chance. Ich presche vorwärts, breite meine Flügel aus und lande direkt auf ihrer Brust. Mit einem winzigen Wink meiner Gedanken verwandle ich mich in einer Art Hommage an Oli in einen grauen Wolf. Angsterfüllt starrt Sam mir noch einen Augenblick länger in die gelben Augen, ehe meine Krallen ihren Brustkorb aufschlitzen. Ich sehe wie das Leben aus ihren Augen weicht und doch lässt meine Schwester es sich nicht nehmen und schleudert mich mit einem letzten, winzigen Wink gegen einen Baum. Gut gespielt und dennoch war ich dein kleinstes Problem. Es gibt noch sehr viele mehr von uns., höre ich ihre bebende Stimme in meinem Kopf, als ihr Körper kraftlos zu Boden sinkt und ich unwirsch aus meiner Wolfsgestalt gespuckt werde. Vor schmerzen gekrümmt starre ich wie hypnotisiert auf den leblosen Körper. Ich lasse einen schrillen, verzweifelten Schrei aus und krabbele über die erde auf den regungslosen Körper zu. Wie eine Ertrinkende klammere ich mich an den steifen Leichnam meiner Schwester und winsel unter Tränen. Ich schüttele sie, bitte sie immer und immer um Verzeihung, doch sie weigert sich ihre Augen zu öffnen. Verzweifelt schüttele ich ihren Körper und klammere mich wieder an ihn. etwas klebriges bedeckt meine Finger. Angewidert starre ich auf meine blutverschmierten Hände und muss würgen.